Astrid Baldinger
Historikerin, beschäftigt sich mit historischen und gegenwärtigen Zusammenhängen von Energie und Wirtschaft
«In den 1920er Jahren organisierten Stromanbieter sogenannte Energieschauen. In Turnhallen zeigten sie der Bevölkerung die Vorzüge von elektrischen Haushaltsgeräten, um Strom vermehrt auch an Privatpersonen verkaufen zu können. Dieses Beispiel zeigt gut, wie unsere Energienutzung mit unserem wachstumsorientierten Wirtschaftssystem verwoben ist.»
Bild: Privatarchiv Astrid Baldinger
Im Energiemarkt geht es ums Geld. Und Nachhaltigkeit bedeutet weniger Konsum, weniger Strom, weniger Verbrauch. Und das funktioniert nicht mit einem Modell, das besagt, dass jedes Unternehmen mehr produzieren muss, um mehr Gewinn zu machen.
Mein Name ist Astrid Baldinger und ich bin Historikerin. Zu Wirtschaft und Energie im Kanton Aargau habe ich recherchiert und aktuell recherchiere ich weiter zum Thema erneuerbare Energien und schreibe dazu einen Artikel in der Argovia.
Energieschauen – warum gab es die? Da muss man sich vorstellen, dass die Energie, respektive der Strom eine neue Technologie war, die erst eingeführt wurde. Die Leute heizten mit Holz oder Kohle. Im Verlauf des Ersten Weltkriegs wurde der Schweiz ihre Kohle-Abhängigkeit vom Ausland sehr bewusst. Gleichzeitig bestand eine grosse Menge Strom vom Ausbau eines Wasserkraftwerks. Das AEW versuchte, den Strom bekannter zu machen. Zum einen hatte man die Industrie als Abnehmer. Die Haushalte waren aber auch interessant. Dazumal war Kochen mit Holz gang und gäbe. Nun plötzlich sollte man Strom einsetzen? Das musste man zeigen. Das AEW hat dann in den 1920er Jahren Turnhallen gemietet in den Dörfern und führte die Elektrogeräte, also Kochherd, Backofen, Fön, die im Aargau produziert wurden – man hatte entsprechende Industrie und Firmen – vor. Es gab auch eine Schauköchin, die zeigte, dass man auch auf einem Elektroherd etwas Leckeres kochen kann. Es brauchte aber viel Überzeugungsarbeit. 1945 wurde im Dorf Würenlingen der erste Elektro-Herd installiert. Es ging also lange, bis auch in den Dörfern der Strom im Haushalt ankam.
Heute könnte man gerade so gut wieder Energieschauen machen und sie wären fast noch wichtiger. Man könnte den Leuten wieder zeigen «Was ist Strom?», «Wie viel Strom braucht man wann?» Und man könnte in diesen Energieschauen auch zeigen, wie man Strom spart. Das Problem ist, dass man früher gerne Energieschauen machte, um Strom zu verkaufen, mehr Abnehmer zu finden. Das umgekehrte Modell, Strom sparen, ist leider kein Geschäftsmodell.
Ich denke, der Kanton Aargau hat tatsächlich eine grosse Verantwortung als Energiekanton auch in diesem Bereich vorauszugehen – nicht nur produzieren, sondern Einfluss zu nehmen, auf nachhaltige Energiebewirtschaftung.